Pressemitteilung
Dresden. Der Ausschuss für Wissenschaft, Hochschule, Medien, Kultur und Tourismus des Sächsischen Landtages hat heute Sachverständige zum Antrag “Provenienzforschung im Freistaat Sachsen weiterentwickeln – wissenschaftliche Aufarbeitung in sächsischen Museen, Bibliotheken und Kunstsammlungen sicherstellen” (Drs 7/8318) der Koalitionsfraktionen CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD angehört.
Dr. Claudia Maicher, kulturpolitische Sprecherin der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Sächsischen Landtag, erklärt dazu:
“Provenienzforschung ist eine grundlegende Aufgabe unserer Museen und Bibliotheken. Die Einrichtungen haben eine moralische Verpflichtung gegenüber den Opfern von Unrecht. Zugleich ist der verantwortungsvolle Umgang mit der Sammlungsgeschichte eine Herausforderung für sie als Orte des gesellschaftlichen Austauschs und des gemeinsamen kulturellen Gedächtnisses.”
“Mit dem Antrag bestärken wir die positive Entwicklung beim Umgang mit der Kolonial-, NS- und DDR-Geschichte in sächsischen Einrichtungen und wollen eine öffentliche Diskussion über die nächsten Schritte anregen.”
Die Anhörung brachte weitere Erkenntnisse zum Ausbau von Provenienzforschung und Aufarbeitung und welche Voraussetzungen dafür notwendig sind.
Bereits im Doppelhaushalt 2021/22 wurde auf Vorschlag der BÜNDNISGRÜNEN-Fraktion eine neue Koordinierungsstelle eingerichtet, die die öffentlichen Bibliotheken bei der Erforschung ihrer Bestände auf NS-Raubgut unterstützt und vernetzt. Dr. Robert Langer, Leiter der Sächsischen Landesfachstelle für Bibliotheken, bei der die neue Stelle angesiedelt ist, beschrieb die Herausforderungen für die nächsten Jahre. Die Beschäftigung mit den Altbeständen könne in mittleren und kleineren Bibliotheken angesichts fehlender Kompetenzen und Ressourcen häufig nur nachrangig sein. Deshalb wird zunächst ein Überblick über die Altbestände erarbeitet und eine Sensibilisierung und Beratung erfolgen sowie weitere Forschung initiiert werden. Langer wies zudem auf die erforderliche Stärkung der Netzwerkarbeit zwischen den Institutionen hin, die sich in Sachsen mit Provenienzforschung beschäftigen.
Prof. Dr. Marion Ackermann, Generaldirektorin der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD), verdeutlichte die langfristigen Aufgaben der Provenienzforschung in den staatlichen Museen: “Wir sind im Übergang von einem Projekt zur einer festen Struktur. Die im Projekt Daphne aufgebaute Datenbank stellt die digitale Architektur des Museums im 21. Jahrhundert dar.” Um Provenienzforschung zu vertiefen und die Ergebnisse systematisch auch in der digitalen Darstellung, bei der Ausstellung und Vermittlung einzubeziehen, bedürfe es einer Verstetigung in Form von festen Personalstellen.
Der Schwerpunkt der Provenienzforschung wird in den nächsten Jahren im Bereich der ethnografischen Sammlungen liegen. Dr. Friedrich von Bose, Leiter für Forschung und Ausstellungen an den Völkerkundemuseen in Leipzig, Dresden und Herrnhut, sprach sich für eine moderne Ausrichtung der Museumsarbeit im Kontext von kolonialer Herkunftsgeschichte und Restitution aus. Die Kooperation mit den Herkunftsgemeinschaften und die transnationale Forschungs- und Netzwerkarbeit fließe auch in die Ausstellungen ein und verändere die Geschichten, die hier erzählt werden. Ausgebaut werden sollen auch die Online-Angebote, mit denen viel mehr Menschen erreicht werden können. Die ethnografischen Museen wollen künftig verstärkt ein Diskussionsort in der diversen Gesellschaft sein. Die Verbindung der Sammlungsgeschichte mit aktuellen Themen stoße auf großes Interesse.
Claudia Maicher betont: “Gerade in der postkolonialen Museumsarbeit liegt eine große Chance, die Relevanz unserer Museen in der Einwanderungsgesellschaft zu erhöhen und sie als Orte für interkulturellen Austausch zu etablieren.”
Im aktuellen Doppelhaushalt haben die Koalitionsfraktionen das Daphne-Projekt verstetigt und zwei zusätzliche wissenschaftliche Stellen an den SKD für die Provenienzberatung an nicht-staatlichen Museen ermöglicht. Dr. Jasper von Richthofen, Leiter des Kulturhistorischen Museums in Görlitz, schilderte die Bedarfe für eine intensive Fachberatung. Insbesondere beim Thema Enteignung im Kontext der DDR-Geschichte fehle es an Bewusstsein sowie an juristischen Kompetenzen. Vor allem in kleineren Einrichtungen scheitern Forschungsprojekte noch häufig an den aufzubringenden Eigenanteilen.
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